Herr Sebastian Jablonski, seit 2021 Vorsitzender des Vereins der deutschen Minderheit in Sensburg „Bärentatze“ war als Gast auf unserem diesjährigen Kreistreffen und hat uns den folgenden Bericht geschickt:
Sebastian Jablonski - (Foto: Falk Möllenhoff)
Liebe Landsleute und Freunde Masurens,
aus gegebenem Anlass habe ich diese Anredeform gewählt. Eigentlich sollte dieser Brief viel kürzer sein und bereits im Juli die Redaktion des Sensburger Heimatbriefes erreichen, aber es soll ja bekanntlich keine Zufälle geben.
Lassen Sie es mich erklären. Als ich den längsten Teil meines Briefes zu Papier gebracht hatte, befand ich mich in Warpuhnen. Wenige Stunden zuvor - genauer gesagt um 14 Uhr des 07. August 2024 - läuteten in der evangelischen Kirche von Warpuhnen die Glocken. Menschen trafen sich hier, um eines geliebten Menschen zu gedenken, der sich für die Region besonders verdient gemacht. Die Rede ist von Pastor Fryderyk Tegler. Stellvertretend für die Sensburger Bärentatze war ich dabei, um mich von Pastor Tegler zu verabschieden - wenn auch aus der Ferne. Er ist am 29. Juli 2024 von uns gegangen und in Scharnebeck am 07. August 2024 beigesetzt worden. Während der Trauerfeier in Masuren hielt Pastor Piotr Mendroch eine großartige Predigt, die uns allen lange in Erinnerung bleiben wird. Eine Auswahl an Liedern wurde ebenfalls gesungen, denn Pastor Tegler hatte Freude am Gesang. Musikalisch untermalt war die Trauerfeier von Orgelspieler Ruslan Kozynko sowie von Martyna Łukaszewicz, die solo gesungen hat. Alle Anwesenden waren sich einig: wir werden Pastor Tegler schmerzlich vermissen, jedoch niemals vergessen.
Zum besseren Verständnis möchte ich Sie mit folgenden Erinnerungen vertraut machen. Wenn mich nichts täuscht, habe ich Pastor Tegler 2016 in Nikolaiken kennengelernt. Als Deutschlehrer war ich neben dem Unterrichten auch für den Briefverkehr an der Marion-Dönhoff-Schule tätig. So kam es dann auch zu einer besonderen Freundschaft mit den "Freunden Masurens", die bis heute währt. Zahlreiche Treffen mit dem Scharnebecker Verein liegen bereits hinter uns: in Nikolaiken, Sensburg, Sorquitten und sogar in Zoppot anlässlich des alljährlichen Neujahrempfangs bei der Generalkonsulin Cornelia Pieper. Aber eben auch in Warpuhnen, dem Ort im Kreis Sensburg, der Pastor Tegler so sehr am Herzen lag. "Zufälle gibt es keine, außer Fälle, die aber in der Grammatik", so die Worte von Pastor Mendroch während der besagten Trauerfeier. Julian Osiecki, langjähriger Freund von Pastor Tegler, brachte schwarzweiße Fotos aus der Vergangenheit mit und zeigte, wie die beiden vor Jahrzehnten aussahen.
Das letzte Mal habe ich Pastor Tegler während seiner letzten Masurenreise getroffen, im Mai dieses Jahres im Rahmen der Sorquittener Gespräche. Seine Krankheit war ihm anzumerken, dennoch gab ihm die Reise trotz langer Anreise Kraft und Lebensfreude. Laut Kerstin Harms (Vorsitzende des Vereins "Freunde Masurens") war ein jeder Besuch seiner Heimat wie ein Vitaminschub für ihn.
Wer hätte gedacht, dass sich unsere Wege auch im Hinblick auf die Kreisgemeinschaft Sensburg kreuzen sollten? Nachdem ich 2021 zum neuen Vorsitzenden der Sensburger Bärentatze gewählt worden bin, kam es auch, dass Pastor Tegler Jahre später die Funktion des Kirchspielvertreters für Warpuhnen übernommen hatte. Immer wenn wir uns in den Räumen der Deutschen Minderheit in Sensburg trafen, so blickten wir beide der gemeinsamen Zukunft erwartungsvoll entgegen. Zu tun gab es genug und wir hatten noch so viel vor. Zum Beispiel stand ein Wiedersehen in Remscheid bevor - zum Kreisttag sowie zum Kreistreffen im Juli dieses Jahres. Sein schlechter Gesundheitszustand ließ es Pastor Tegler allerdings nicht zu, an beiden Tagen in Remscheid zu sein.
Dass wieder jemand aus Sensburg zum Kreistag / Kreistreffen nach Remscheid fahren sollte, hat seine Zeit gedauert. Groß war dann die Freude bei den Mitgliedern der Bärentatze, nachdem die persönliche Einladung zu den beiden Treffen eingetroffen ist. Der Einladung bin ich selbstverständlich gerne gefolgt, zumal ich den Vorstand der Kreisgemeinschaft größtenteils aus dem Sensburger Heimatbrief kenne. Bis dahin habe ich nur den Vorsitzenden Klaus Schütz sowie Herrn Gerhard Zielinski persönlich kennenlernen dürfen. Nach einer vom schnellen Alltag entschleunigenden Bahnreise bin ich am Bahnhof Remscheid angekommen. Das MK-Hotel war leicht zu finden, die ersten Mitglieder des Vorstandes waren bereits dort. Die Sitzung fand im Konferenzraum statt. Nach den üblichen Tagesprogrammpunkten durfte ich ein wenig über die aktuelle Lage der Bärentatze berichten. Im Grunde geht alles seinen gewohnten Gang, alle Jahre wieder: Im Frühjahr entscheidet der Vorstand über die Projekte für das ganze Jahr, ebenso über den Haushalt (der Vorstand trifft sich je nach Bedarf, meist vierteljährlich). Wenige Wochen später kommt es zur Mitgliederversammlung mit allen Berichten. Der Vorstand wird dann für seine letztjährige Tätigkeit entlastet (während meiner Amtszeit geschah dies reibungslos). Osterbastelprojekte, Sprachkurse für Kinder und Fortgeschrittene und die Delegiertenversammlung des VdGEM aus Allenstein sind fester Bestandteil in unserem Terminkalender. An der jährlichen Arbeitstagung der Vorsitzenden der Gesellschaften (Veranstalter: LO) in Sensburg nehmen wir auch teil, ebenso am Sommerfest und an Feiern anderer Gesellschaften der Woiwodschaft von Ermland und Masuren. Kulturprojekte finden entweder in unseren Vereinsräumen statt oder in der Umgebung. Sie sind stets gut besucht. Im Juni dieses Jahres durften die Teilnehmer das Dorf Selbongen besuchen, letztes Jahr stand Eckertsdorf auf dem Programm. Der Auszahlung der Bruderhilfe durfte unser Vorstand im letzten Jahr in Nikolaiken beiwohnen. Hin und wieder kommt es zu sogenannten Backworkshops unter der Leitung von Uwe Hahnkamp aus Allenstein. Sie genießen den größten Zulauf. Im Oktober suchen wir uns Jahr für Jahr einen anderen vergessenen Friedhof aus, der Grabpflege benötigt. Dabei kommt es zu einem Treffen mehrerer Generationen. Alle kommen mit Harken, Säcken für Laub sowie mit Grablichtern und packen an, damit die Erinnerung an die Verstorbenen nicht irgendwann endet. Mit Projekten rund um den Advent sowie gemeinsamen Weihnachtsfeiern (Sensburg - Verein, Allenstein - Verband) schließt sich der Kreis der Tätigkeiten. Nicht zu vergessen ist der Dienstagtermin. Dann ist nämlich das vereinseigene Büro an der Wolności-Straße 15 geöffnet und man trifft sich zu Gesprächen bei Kaffee und Kuchen. Es wird dann sowohl Deutsch, als auch Polnisch gesprochen. Die Kleiderkammer ist an diesem Tag ebenfalls geöffnet, Gehhilfen und deutsche Bücher können ausgeliehen werden. Natürlich lassen sich nicht alle der 80 zahlenden Mitglieder der Bärentatze sehen, nicht wenige sind gebrechlich oder schwerkrank. Dennoch freuen wir uns über jeden Besucher. Es kommt vor, dass Interessierte aus Deutschland unser Büro aufsuchen. Sie sind meist auf Spurensuche in Masuren und lassen sich gerne von uns helfen.
Darüber habe ich nicht nur den Vorstand informiert, sondern auch die Anwesenden des Kreistreffens einen Tag später - ich bin der Bitte von Herrn Falk Möllenhoff gerne nachgekommen. Danach fand ein aufschlussreicher Vortrag von Herrn Prof. Dr. Günther Sokoll statt. Anschließend kam es zum Mittagsimbiss und persönlichen Gesprächen mit Angereisten. BernStein – alias Bernd Krutzinna - sang Lieder aus seinem Repertoire über Ostpreußen und es kam die Zeit, in der wir alle Abschied nehmen mussten voneinander und von Remscheid. Gerne denke ich an diese Augenblicke im Bergischen Land zurück und bedanke mich sehr beim Vorstand der Kreisgemeinschaft Sensburg für die Einladung und für die Gastfreundschaft.
Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Bleiben Sie bitte gesund und kommen Sie gut ins neue Jahr 2025!
Sebastian Jabłoński
Vorstandsvorsitzender der Sensburger Bärentatze